Im Schweizer Lehrlingswesen ist vor dem eigentlichen Lehrbeginn oftmals ein Vorpraktikum Voraussetzung. Vor allem bei feminisierten Berufen, z.B. im Pflege- und Betreuungssektor, sind Vorpraktika gang und gäbe. Beispielsweise haben zwei Drittel der FaBe-Lernenden (Fachperson Betreuung) mindestens ein Praktikum vor Lehrbeginn absolviert.[1] Meist sind diese mit prekären Arbeitsbedingungen verbunden. Die Praktikant*innen erhalten für ein 100%-Pensum oftmals weniger als 500 Franken monatlich.[2]

Nach Abschluss des Praktikums hat man die erhoffte Lehrstelle noch lange nicht auf sicher. Es ist gut möglich, dass eine andere Praktikant*in die Stelle erhält oder der Unternehmer ein weiteres Praktikumsjahr verlangt. Dies führt zu einem Konkurrenzverhältnis zwischen den jungen Praktikant*innen und führt zu einem enormen Druck auf jungen Arbeiter*innen. Besonders krass kommt diese Entwicklung im Betreuungssektor zum Vorschein. Nicht selten arbeiten in Kindertagesstätten (Kitas) zu einem Grossteil junge Praktikant*innen, die alle einen der begrenzten Lehrplätze ergattern möchten.[3]

Gerade bei Lehrgängen mit hohem Praxisanteil ist das Praktikum nur für eine der beiden Parteien von Vorteil: Während es für die Praktikant*innen ein notwendiges Übel ist, ist dieses Vorgehen für die Unternehmer*innen höchst lukrativ. Ohne sich für eine zukünftige Ausbildung der Arbeiter*innen zu verpflichten, können sie aus der Hoffnung der jungen Praktikant*innen Profit schlagen und sie als billige Arbeitskraft ausnutzen.

Wir fordern: Sofortiger Stopp der Ausnützung junger Praktikant*innen! Verbot obligatorischer Vorpraktika!

[1] https://www.insos.ch/publikationen/aktuelles/praktika-vor-der-lehre-sind-problematisch
[2] https://www.beobachter.ch/bildung/aus-weiterbildung/berufseinstieg-was-bringt-ein-praktikum
[3] https://www.zeit.de/2018/07/arbeitsbedingungen-kampf-kita-krippe-schweiz/seite-3