Manchmal sehen sogar Unternehmer*innen und bürgerliche Politiker*innen ein, dass die Löhne der Lernenden nicht ausreichen, um ein selbständiges Leben führen zu können. Sie argumentieren dann jeweils, dass die Lehre eben eine Ausbildung sei und deshalb mittels Stipendien (oder Darlehen) dem Problem begegnet werden soll. Diese Argumentation ist aus verschiedenen Gründen fadenscheinig und dient einzig als politische Rechtfertigung, um den Lernenden keine höheren Löhne zahlen zu müssen:
Erstens, und das ist der wichtigste und gleichzeitig banalste Punkt, arbeiten Lernende. Sie sind junge, schlecht bezahlte Arbeitskräfte. Würden die Lernenden nur «ausgebildet», würden sie dem Unternehmen keinen Profit erwirtschaften und würden ergo gar nicht erst eingestellt werden. Dieselben Personen, die solch hinkende Vorschläge machen, lassen zudem keine Gelegenheit aus, die Lernenden als wichtige Stütze im Betrieb zu loben und geben damit selber zu, dass Lernende als Arbeiter*innen zu betrachten sind.
Zweitens führt die schweizweite neoliberale Sparpolitik zum Abbau des staatlichen Stipendienwesens und erschwert es Personen zunehmend, Unterstützungsbeiträge für ihre Ausbildung zu erhalten.
Drittens ist ein Stipendiengesuch mit einem beträchtlichen administrativen Aufwand verbunden und erfordert Kenntnisse, die junge Menschen ohne die Hilfe von erfahrenen Personen meist nicht besitzen. Gerade wegen des Sparzwangs sind Stipendienämter zunehmend dazu veranlasst, die Gesuche rasch zu beantworten, weniger genau zu prüfen und allenfalls bürokratische Feinheiten ins Feld zu führen, um Ausbildungsbeiträge zu verweigern. Um schliesslich gegen abgelehnte Gesuche Rekurs einzulegen, braucht es wiederum gewisse Kenntnisse, die nicht alle haben.
Viertens werden Stipendiengesuche oftmals abgelehnt, weil ein Elternteil noch ein gewisses Vermögen auf der Seite hat oder eine Eigentumswohnung besitzt. Es wird dann von den Eltern verlangt, den Lohn der Lernenden aufzubessern. Wie man dies betriebsökonomisch rechtfertigen will, ist uns schleierhaft. Seit wann zahlt die Familie den Lohn ihrer arbeitenden Angehörigen? Zudem wird das Grundproblem, von dem wir ausgegangen sind – nämlich die finanzielle Unselbstständigkeit und Abhängigkeit der Lernenden –, in keiner Weise gelöst. Aus demselben Grund ist auch die vorgeschlagene Verschuldung von Lernenden mittels Darlehen Schwachsinn.
Wir fordern: Löhne, die zu einem selbstständigen Leben ausreichen statt Stipendien und Darlehen!