Als einen der grössten Vorzüge des schweizerischen Bildungswesens wird immer wieder die angebliche Chancengleichheit hervorgehoben. Es wird behauptet, dass mit ausreichend persönlichem Einsatz jedes Ziel erreichbar sei und man jeden erdenklichen Beruf erlernen könne. Auf den ersten Blick scheint dies auch der Fall zu sein, doch betrachtet man einzelne Berufsfelder genauer, ist von dieser Gleichheit plötzlich nicht mehr viel übrig.

So werden bei immer mehr Lehrstellen in künstlerischen und gestalterischen Berufen Vorkurse verlangt. Diese Vorkurse werden meist von Kunsthochschulen angeboten und sollen, laut eigener Aussage, als Eignungsabklärung und Vorbereitung auf die eigentliche Lehre dienen. Diese Abklärung und Vorbereitung lassen sich die Anbieter gut bezahlen: bis zu 15’000 Franken kann der ein bis drei Semester dauernde Kurs kosten. Diese für Schweizer Verhältnisse sehr hohen Gebühren können Schulabgänger*innen kaum aus eigener Tasche bezahlen. So sind sie auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Aber auch für diese stellen 15’000 Franken oft eine sehr grosse Belastung oder gar ein unüberwindbares Hindernis dar.

Für die potenziellen Lernenden, welche die finanzielle Hürde gemeistert haben, bedeutet der Vorkurs, dass sie ein zusätzliches Jahr in die Schule gehen müssen und kein eigenes Geld verdienen. Und dies ohne die Gewissheit, danach auch wirklich die gewünschte Lehrstelle zu bekommen. Für die Unternehmen ist der Vorkurs wiederum eine Möglichkeit, einen Teil der Ausbildung auszulagern und gleichzeitig davon zu profitieren, dass die Lernenden bereits gestalterische Kenntnisse erlernt haben.

Die teuren Vorkurse verhindern, dass Menschen aus finanziell benachteiligten Familien gewisse Berufe erlernen können. Zudem untergraben sie das Prinzip der Lehre als eine in sich geschlossene Ausbildung.

Wir fordern: die Abschaffung von obligatorischen Vorkursen für gestalterische Lehrgänge und freie Bildung für alle!